Einen wunderschönen guten Abend in den Norden. Die Zeichen stehen insbesondere in der zweiten Wochenhälfte auf Sturm, wobei die exakte Zugbahn und Intensivierung des dafür verantwortlichen Sturmtiefs immer noch recht unterschiedlich gerechnet wird. Allerdings lässt sich inzwischen festhalten, dass sämtliche Globalmodelle dahingehend Einigkeit zeigen, dass das Tief mit Zentrum irgendwo über Deutschland ziehend wird. Kommen wir nun zu unserem Hauptakteur, Hurricane Kirk. Dieser befindet sich aktuell etwa 1855 km westlich der Azoren im Zentralatlantik und wäre somit noch sehr weit entfernt (NOAA-Advisory #29 vom 06.10.24 17:00h MESZ: Position 35.6°N 47.7°W, Nordostkurs mit etwa 41km/h, Min. Kerndruck etwa 960mb). Trotz der großen Entfernung ist er insbesondere aufgrund der medialen Berichterstattung mit einem „My“ zu viel Panik vermutlich bereits in aller Munde. Insbesondere aufgrund dieser Vorgeschichte möchten wir euch im Rahmen dieses Berichts einen kleinen Überblick über die aktuelle Situation geben.
Zunächst erst einmal handelt es sich bei Kirk um einen stinknormalen Hurricane, der sich im tropischen Atlantik gebildet hat und an der West/Nordwestflanke des stabilen Azorenhochs über dem Zentralatlantik in die Westzirkulation der nördlichen Breiten integriert wird. Dies geschieht naturgemäß unter zügiger Abschwächung, da die Umgebungsbedingungen (insbesondere die sinkenden Oberflächentemperaturen des Atlantis) zunehmend ungünstig werden. Die Zuständigkeit hinsichtlich der Beobachtung und Vorhersage von tropischen Systemen im Nordatlantik liegt bei NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration), die entsprechende Hinweise, Meldungen und Modellrechnungen dazu veröffentlichen. Bereits seit einigen Tagen zeigen die Modelle eine Zugbahn in Richtung Deutschland, was inzwischen auch von anderen globalen Wettermodellen getragen wird. Das wichtige hierbei: Das tropische System schwächt sich in den kommenden Tagen weiter ab und verliert irgendwo knapp nördlich der Azoren seine tropischen Eigenschaften, so dass am Ende ein Sturm-/Orkantief übrig bleiben wird. Aufgrund der erhöhten Oberflächentemperaturen im Atlantik bleibt in diesem Fall vergleichsweise viel „Energie“ übrig und das Tief entsprechend „kräftig“.
Kommen wir nun zu den verschiedenen Modellinterpretationen. Das Amerikanische Wettermodell (GFS) will das Tief mit einem Kerndruck von 984hPa vom Aachener Raum in Richtung Fehmarn ziehen lassen, während das Kanadische Wettermodell (GEM) einen Kerndruck von 986hPa und eine Zugbahn vom Saarland nach Berlin rechnet. Das Europäische Modell (ECMWF) und das Deutsche Modell (ICON) sehen es ähnlich zum GFS-Modell, rechnen das Tief mit 978hPa aber etwas kräftiger. Abschließend noch ein Hinweis auf eine kleine Besonderheit: Shapiro-Keyer Zyklone. Während in einem normalen Tiefdrucksystem die Warmluft irgendwann von der Kaltfront eingeholt wird, entwickelt sich bei einer Shapiro-Keyer Zyklone keine Mischfront (Okklusion) aus. Die Kaltfront erreicht die Warmfront somit nicht, stattdessen dreht sich die Warmfront um den Tiefkern herum. In dem Bereich hinter der Kaltfront und der eingedrehten Warmfront kann es dann zu einem Dryslot kommen, der punktuell zu deutlich höheren Windgeschwindigkeiten am Boden führen kann, als es das Druckgebilde an sich vermuten lässt (Sting Jet). Die Modellrechnungen für Kirk zeigen die Möglichkeit einer solchen Entwicklung, was insbesondere für das spätere Warnmanagement nicht unwichtig wäre.
Aktuelle Prognose: Donnerstagfrüh wird das Tief vermutlich irgendwo im Bergland von NRW liegen, was für unseren Vorhersagebereich zunächst wenig Auswirkung hätte (allenfalls im südlichen Niedersachsen in exp. Lagen ein paar Böen im 7er-/8er-Bereich). Zum Nachmittag liegt der Kern vermutlich bei uns in Norddeutschland, wobei der Wind eher schwach unterwegs wäre. Nördlich des Tiefs können an den Küsten im weiteren Verlauf Böen der Stärke 7-8 aus meist östlichen Richtungen auftreten. Spannender dürfte die Situation an der unmittelbaren Süd-/Südwestflanke des Tiefs aussehen, die zum frühen Abend für das südwestliche und südliche Niedersachsen interessant sein dürfte. Hier werden von allen Modellen einheitlich die stärksten Böen im 8er/10er-Bereich (~65-95m/h) gerechnet, wobei es je nach Intensität und einer möglichen Shapiro-Keyer-Entwicklung punktuell auch drüber gehen kann (11er-Bereich mit Böen um 105km/h). Sollte es nun noch zu Änderungen in der Zugbahn kommen, würden sich die beschriebenen „Zonen“ ebenfalls verschieben.
Fazit: Eine Zugbahn über Deutschland ist auf Basis der letzten Globalmodelle unstrittig. Die finale Intensität und Zugbahn variieren allerdings noch deutlich, so dass eine exakte Einschätzung zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll ist. Der Tiefdruckkern wird zudem vermutlich irgendwo über Norddeutschland ziehen, wobei die kräftigsten Böen an der unmittelbaren Süd-/Südwestflanke auftreten werden. Bitte verfolgt die Warnlage in den kommenden Tagen mit erhöhter Aufmerksamkeit! Wir halten Euch selbstverständlich engmaschig auf dem Laufenden.
RZ Hannover