Die Ostseeküste wurde am gestrigen Freitag von einer der schwersten Sturmfluten der letzten Jahrzehnte getroffen. Schuld war der Druckgradient zwischen einem kräftigen Hoch über Skandinavien und einem kräftigen Tief im Bereich Paris, welches sich inzwischen weiter in Richtung Britische Inseln vorgearbeitet hat. Die Folge war eine lang anhaltende Sturmlage mit schweren Sturmböen der Stärke 10 (~95km/h) entlang der gesamten Küstenlinie, an der Ostküste von SH, Rügen und auf der freien Ostsee kam es zu orkanartigen Böen der Stärke 11 (~105km/h) oder Orkanböen der Stärke 12 (~120km/h) aus Ost/Nordost. Die Wassermassen wurden somit massiv gegen die Ost- und Südküsten von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gedrückt. Ganz anders zeigte sich das Bild entlang der Nordseeküste. Hier drückte der schwere Oststurm das Wasser raus auf die offene See, so dass Hoch- und Niedrigwasser teilweise bis zu 2m niedriger als normal ausfielen, was zu Ausfällen im Fährbetrieb geführt hat. Im Folgenden haben wir Euch noch einmal die Spitzenböen des gestrigen Tages, sowie die max. Pegelstände an der Ostsee zusammengestellt.
Spitzenböen Norddeutschland DWD-Netz (20.10.2023):
- Kap Arkona/Rügen (MV): 133km/h
- Kiel Leuchtturm (SH): 131km/h
- Helgoland/Düne (SH): 115km/h
- Alte Weser Leuchtturm (NDS): 112km/h
- Schönhagen (Ostseebad): 109km/h
- Glücksburg (SH): 108km/h
- Westermarkelsdorf (MV): 106km/h
- List/Sylt (SH): 104km/h
- Cuxhaven (NDS): 104km/h
Was die Wasserstände betrifft, so hat es den Küstenabschnitt von der Flensburger Förde bis zur Lübecker Bucht am heftigsten getroffen. Am Pegel in Flensburg wurde der prognostizierte Wasserstand deutlich überschritten und hat einen historischen Stand von knapp 2,30m über dem mittleren Wasserstand erreicht (per Definition wäre dies eine sehr schwere Sturmflut), was das letzte große Ereignis im Jahr 1904 pulverisiert hat (100-Jähriges-Ereignis). Der Scheitel wurde in etwa zum Ende der ersten Nachthälfte erreicht. Auch entlang der restlichen Küstenlinie bis zum Stettiner Haff wurden sehr verbreitet Wasserstände zwischen 1,00m-1,50m über dem mittleren Wasserstand erreicht.
Entlang der Ostküste kam es am gestrigen Abend entsprechend zu Überschwemmungen und Evakuierungen. Im Kreis Flensburg-Eckernförde wurde sogar Katastrophenalarm ausgelöst und Teile der Innenstand evakuiert. Auf Fehmarn ist ein Mensch ums Leben gekommen. Einige kleinere Deiche mussten aufgrund der Wassermassen aufgegeben werden. Der ÖPNV kam vielerorts vollständig zum Erliegen. Das Unwetter hat auch entlang der Dänischen Ostseeküste gewütet, wobei hier vorsorglich Einwohner und Touristen in Sicherheit gebracht wurden – teilweise kam es zu Stromausfällen. Die brisante Wetterlage normalisiert sich im Laufe des heutigen Tages zügig und der Wind bis zum Abend auf Süd/Südwest zurückdreht.
- Situation am Strand von Kellenhusen (Facebook/WFN 20.10.23 17:32h)
- Aktuelle Pegelinformationen aus Mecklenburg-Vorpommern
- Hochwasser Sturmflutinformation Schleswig-Holstein
- Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrologie (u.a. Sturmflutwarnungen)
- Rekordhochwasser an der Ostsee (NDR 21.10.23 09:19h)
RZ Hannover