Der Autor des heutigen Reports möchte den Ausdruck „Frühherbstlicher Witterungsabschnitt“ aufgrund der Jahreszeit eigentlich nicht in den Mund nehmen, bzw. niederschreiben, auch wenn ein Blick durch das Fenster diese These eindeutig unterstützen würde. Das Temperaturniveau wird sich in den kommenden Tagen glücklicherweise etwas stabilisieren, was wir uns im Folgenden etwas genauer anschauen wollen.
Analyse
Norddeutschland verbleibt zu Beginn der neuen Woche im Bereich eines Höhentiefkomplexes mit mehreren Zentren, die sich zyklonal über Mitteleuropa drehen. Im Bereich Spitzbergen ist hingegen ein kräftiges Hoch zu finden, so dass wir wenigstens kurzzeitig von einer „High-Over-Low“-Situation sprechen können, die den Witterungscharakter weiterhin eher wechselhaft und kühl gestalten wird. Eines der Zentren zieht bis zur Wochenmitte in Richtung Zentralskandinavien, während sich der andere Kandidat über den Britischen Inseln neuerlich unserem Vorhersagebereich nähert. Was die Niederschlagsprognose betrifft, so ziehen die mit dem ersten Höhentief korrelierten Niederschläge zügig in Richtung Ostsee ab und kehren mit erneut sinkendem Geopotential zur Wochenmitte von der Nordsee her zurück. Da der Höhentiefkomplex mit vergleichsweise kalter Luft angereichert ist (0-3°C auf T850), bleibt das Temperaturniveau auch im Bodenniveau eher verhalten. Abschließen bleibt zu erwähnen, dass der vertikale Temperaturgradient recht steil verläuft und in Zusammenspiel mit Feuchte und kurzwelliger Troganteile hier und da etwas Labilität aufgebaut werden kann, was den Niederschlägen einen eher konvektiven Charakter verleiht, vereinzelt auch „Kaltluftgewitter“. In der zweiten Wochenhälfte kann sich der Rücken im zentralen Mittelmeer ein wenig weiter nach Norden ausdehnen, was den Tiefdruckkomplex über Mitteleuropa tendenziell etwas nach Nordosten verschiebt und das Wetter bei uns von Südwesten her zunehmend stabilisiert. Die zunächst westliche Höhenströmung dreht vorderseitig eines neuen schwachen Troges über der Iberischen Halbinsel zügig auf Südwesten und führt somit wieder deutlich wärmere Luftmassen in unseren Bereich. GFS rechnet den neuen Warmluftvorstoß im Vergleich zu GEM und ECMWF am Progressivsten (11°C auf T850 in Südniedersachsen), lässt den Trog allerdings auch bereits am Wochenende auf unseren Bereich übergreifen. GEM verhält sich eher defensiv und belässt die Trogstruktur bis zu Beginn der neuen Woche westlich von uns (inkl. temporärer Kräftigung eines Rückens über Mitteleuropa). Vergleicht man die Ergebnisse nun abschließend mit den vorherigen Läufen der betrachteten Modelle, so zeigen sich teils enorme Unterschiede, was die Prognose für das kommende Wochenende sehr schwierig macht. Fazit: Stabile und eher kühlere Luftmassen im Nordwesten/Norden vs. kurzzeitig warme und feuchte Luft in den südlichen Landesteilen mit entsprechender Gewittergefahr (je nach Konstellation).
Überblick
- Montag, 30.05.2022: Stark bewölkt oder bedeckt mit leichten Niederschlägen in den mittleren und östlichen Landesteilen, entlang der Ostseeküste einzelne Gewitter. Die Höchstwerte erreichen 10°C bei Regen und knapp 16°C im südwestlichen Niedersachsen. Der Wind schwach bis mäßig aus West/Nordwest.
- Dienstag, 31.05.2022: Wolkig mit letzten schauern im äußersten Nordosten. In Südniedersachsen im Tagesverlauf ebenfalls einzelne Schauer und Gewitter möglich. Die Höchstwerte erreichen 15°C entlang der Küsten und 20°C bei längeren Auflockerungen im Binnenland. Schwacher Wind aus unterschiedlichen Richtungen.
- Mittwoch, 01.06.2022: Heiter bis wolkig und von Nordwesten aufkommende Schauer und Gewitter mit Starkregen um 15mm/h und Windböen der Stärke 7 (~55km/h). In den mittleren und südlichen Landesteilen meist trocken. Die Höchstwerte erreichen 15°C entlang der Küsten und 21°C im südlichen Niedersachsen. Meist schwacher Wind aus Südwest, im Westteil auf West/Nordwest drehend.
- Mittelfrist: Am Donnerstag ziehen letzte Schauer und Gewitter nach Nordosten ab und es lockert bei etwas steigenden Temperaturen vielerorts auf. Zum Wochenende nimmt die Gefahr kräftiger Schauer und Gewitter deutlich zu, wobei die exakte Entwicklung aus heutiger Sicht unsicher ist.
Ausblick:
Die vorliegenden Modelle simulieren die Entwicklung bis in die zweite Wochenhälfte ähnlich, wobei es bzgl. Position und Verlagerung der Tiefdruckzentren kleinere Unschärfen gibt. In der erweiterten Mittelfrist gehen die Modellinterpretationen dann deutlich auseinander, was bereits in unserer Analyse ausführlich beschrieben wurde. Die Clusteranalyse liefert in allen Fällen ein blockierendes Strömungsmuster mit Azorenhoch, Höhenrücken irgendwo im zentralen Mittelmeer und einem mehr oder minder abgetropften Höhentief im Bereich West- oder Mitteleuropa. Da die Mehrzahl der Modelle uns irgendwo im Bereich des Höhentiefs sehen wollen und der Rücken seine Amplitude gen Norden tendenziell eher verkürzt, sieht es aus jetziger Sicht eher nicht nach einem stabilen Witterungsabschnitt aus. Ein Hoffnungsschimmer bleibt jedoch: Blickt man in die vorherigen Läufe des ECMWF und GEM, so wurden gegen Mitte/Ende der ersten Junidekade durchaus sommerliche Hochdrucklagen mit Zentrum über Mitteleuropa/Skandinavien gerechnet. Die nächste Einschätzung folgt spätestens an Pfingstsonntag.
RZ Hannover