Da in der Wetterküche aktuell recht wenig Bewegung ist, wenden wir uns heute doch mal dem interessanten Thema der Wechselwirkung zwischen dem El Nino-Effekt und dem Mitteleuropäischen Winterwetter zu. Dies umfasst auch die immer mal wieder in den Fokus tretende Frage nach einer langfristigen Klimaerwärmung, worauf ich am Ende dieses Berichtes noch einmal in Kürze zurückkommen werde.
Doch zunächst erst einmal zurück zum eigentlichen El Nino-Effekt. Dieser äußert sich in einer ungewöhnlich kräftigen Erwärmung der Wasseroberflächentemperaturen im äquatorialen Pazifik und hat somit einen direkten Einfluss auf das Wettergeschehen im Bereich zwischen Südamerika und Australien/Ozeanien. Der Name leitet sich im Übrigen vom Zeitpunkt des Auftretens ab (El Nino = Das Kind / span. / konkret: Das Christkind) und stammt von peruanischen Fischern, die die Auswirkungen direkt zu spüren bekommen haben. Die für die Region typische „Zirkulation“ wird mit Hilfe der sogenannten „Southern Oscillation“ beschrieben (Southern Oscillation = Beschreibt den Luftmassenaustausch zwischen dem Ostpazifik und dem Indischen Ozean) und wurde von dem Meteorologen Sir Gilbert Walker in den frühen 1920er-Jahren entdeckt. Das grundlegende Muster wird aus diesem Grund auch als Walker-Zirkulation (Walkerzelle) bezeichnet und beschreibt die aufgrund der unterschiedlichen Meerestemperaturen zwischen dem West- und Ostpazifik auftretende Wetterphänomene (z.B. steigt an der Westküste Südamerikas kaltes Tiefenwasser aus dem antarktischen Humboldtstrom auf, während das warme Oberflächenwasser aufgrund der Passatwinde nach Westen gedrückt wird). Im Falle eines El Ninos kann dieses „Aufsteigen“ (= upwelling) beispielsweise geschwächt, bzw. sogar unterbunden werden, so dass dies einen direkten Einfluss auf die in äquatorialen Breiten auftretende Monsun-Zirkulation hat (In feuchten Region können die sonst üblichen monsunartigen Regenfälle ganz ausbleiben, während die eher trockenen Regionen das Gegenteil zu spüren bekommen). Jüngere Forschungsergebnisse gehen von einem direkten Zusammenhang zwischen den Zirkulationssystemen der Erdatmosphäre und Meeresströmungen aus, wobei dieser als El Nino-Southern Oscillation (ENSO) bezeichnet wird. An dieser Stelle möchte ich den kleinen (vereinfachten) Exkurs in das Thema El Nino abbrechen und auf die entsprechende Fachliteratur verweisen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der beschriebene Effekt sehr deutliche Auswirkungen (mit wirtschaftlichen Folgen) auf das lokale Wettergeschehen hat, so dass dies zunehmend Thema in aktuellen Forschungsprojekten geworden ist. Eine Prognose der weiteren Entwicklung ist immer noch sehr experimentell, da wir die „Wettermaschine“ auf der Erde als geschlossenes Zirkulationsmuster betrachten müssen, auf welches wir Menschen bereits sehr lange Einfluss nehmen (Es können einfach nicht alle Eingangsgrößen und dessen Auswirkung auf den Gesamtzustand bestimmt werden!).
Ein fundamentaler Satz aus der Physik beschreibt den folgenden Zusammenhang: Wenn ich ein geschlossenes System mit einer bestimmten Kraft auslenke, dann existiert eine weitere Kraft, die dieser Auslenkung mit proportional steigender Stärke entgegenwirkt (= Harmonischer Oszillator). Dieses grundlegende Konzept kann z.B. näherungsweise auf ein Fadenpendel angewendet werden, wobei dieses ohne Betrachtung weiterer dämpfender Effekte eine konstante Bewegung um den Ruhepunkt ausführt. Selbstverständlich ist die „Weltwettermaschine“ nicht mit einem solchen Ideal-System zu beschreiben, das grundlegende Konzept hilft uns aber beim Verständnis bzgl. der komplexen Wechselwirkungen weiter. Wie bereits beschrieben, so hat der El Nino neben diverser Auswirkungen in der Atmosphäre auch Einfluss auf die Meeresströmungen, die global gesehen miteinander verknüpft sind. Das bedeutet im Gegenzug, dass selbst wir in Europa diese Auswirkungen (langfristig) spüren, wobei sich an dieser Stelle die Frage stellt, wie diese sich in unserem üblichen Wettermuster bemerkbar machen (Soll bedeuten: Welche Wettereffekte spielen sich nach den „Regeln“ in unseren Breiten ab und welche entstehen aufgrund der Änderungen in den Eingangsgrößen?). Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass diese Beschreibung hier eine ganz grobe Übersicht der Thematik bietet und physikalisch nicht vollständig korrekt ist – das würde den Rahmen mehr als nur ansatzweise sprengen.
Kommen wir nun zu der entscheidenden Frage… Welcher Einfluss ist nun konkret auf unser bevorstehendes Winterwetter zu erwarten? Deuten die Zeichen wirklich auf einen sogenannten „Horror-Winter“ hin oder werden wir auch dieses Jahr im Norddeutschen Flachland mal wieder kein Schnee sehen? Nun, die Zukunft ist leider noch nicht geschrieben und niemand hat alle für eine mögliche Konstellation „Horror-Winter“ notwendigen Grundvoraussetzungen im Fokus einer langfristigen Vorhersage im Griff. Auch hier gilt weiterhin der Grundsatz: Eine kurzfristige Wettervorhersage ist max. für einen Zeitraum von bis zu drei Tagen möglich (Je nach Wetterlage variiert diese Aussage bekannterweise zwischen etwa 2 Stunden und 7 Tagen). Auch wenn wir an dieser Stelle keine abschließende Aussage treffen können, so lassen sich aus den grundlegenden Effekten trotzdem „Tendenzen“ ableiten, die einen entsprechenden „Ausschlag“ auf die übliche Wetterentwicklung geben können.
Kommen wir noch einmal kurz auf unsere Idealvorstellung mit dem Fadenpendel zurück. In diesem Kontext stellt der El Nino einen Ausschlag in eine bestimmte Richtung dar, die das globale Wettersystem mit Hilfe geeigneter „Gegenbewegungen“ langfristig kompensieren will. Betrachtet man nun die Dauer entsprechender Rückkopplungseffekte in diesem „Gesamtsystem“, so lassen sich gewisse „Grundmuster“ ableiten, die sich anhand von Änderungen in unseren lokalen Wetterbeobachtungen niederschlagen und somit analysiert werden können.
Auch in unseren Breiten gibt es nun gewisse Indikatoren, die die Beschreibung der Wetterentwicklung vereinfachen, darunter der sogenannte NAO-Index (= North Atlantic Osciallation). Dieser beschreibt den Luftdruckunterschied zwischen dem „Islandtief“ und dem „Azorenhoch“ und ist somit ein guter Indikator für die Stärke des Westwinddriftes (= Westwindzone). Wer am Abend mal aufmerksam die Wetterkarten im Wetterbericht verfolgt, der wird sicherlich beobachten, dass sich im Bereich Island oftmals ein kräftiges Tief befindet (Nördlicher Tiefdruckgürtel), wohingegen bei den Azoren ein Hoch liegt (Subtropischer Hochdruckgürtel). Der Bereich dazwischen wird auch als Westwindzone bezeichnet und ergibt sich aufgrund der auf der Nordhalbkugel üblichen Luftzirkulation um die Druckgebiete (Hochdruckgebiet = Uhrzeigersinn, Tiefdruckgebiet = Gegen den Uhrzeigersinn), was sich aus dem Druckgradienten und der Corioliskraft herleiten lässt. Hier lässt sich nun festhalte.
- Positiver NAO = Gute ausgebildetes Azorenhoch/Islandtief (Stelle im Prinzip die Normalsituation dar)
- Negativer NAO = Schwach ausgeprägte Aktionszentren, meistens durch blockierende Hochdruckgebiete über Skandinavien geprägt (Die Westwinddrift „schläft“ ein, so dass vermehrt Kaltluftvorstöße aus dem Norden möglich werden)
- Stark Negativ = Meistens durch kontinentale Ostströmungen geprägt (Im Winter würde dies zu einer meist „eisigen“ Lage führen)…
Aber was geschieht nun? Gute Frage – nächste Frage. Es lässt sich aber der folgende Zusammenhang herstellen: Ein El Nino hat eine Angleichung der Wasseroberflächentemperaturen über dem Atlantik zur Folge, so dass sich potentiell weniger „Stürme“ im Bereich der Westdrift bilden. Aktuell kommt dazu ein recht negativer NAO (Azorenhoch ist nur schwach ausgeprägt), so dass Stürme momentan bevorzugt über das Mittelmeer ziehen (Siehe auch Unwettertief über Italien/Griechenland). In unserem Bereich würde es demnach vermehrt zu Kaltluftvorstößen kommen, wobei sich der Witterungscharakter im Winter dann eher trocken zeigen würde. Im Zusammenspiel mit einem positven NAO, also einer „normalen“ Situation über Europa, würde es hingegen zu einer Verstärkung der Tiefdruckentwicklung über dem Ostatlantik kommen, was dann für zunehmend milde Luftmassen aus Westen sprechen würde (Sturmtiefserien in der Westwindzone).
Am Ende vom Tag wird hier sicherlich schnell deutlich, dass das Zusammenspiel der einzelnen Faktoren höchst komplex ist und diese sich in aller Regel nicht auf ein einfaches Verhaltensmuster reduzieren lassen. Wir haben aber auch gelernt, dass sich aus analysierten Mustern „Tendenzen“ ableiten lassen, die man durchaus beschreiben kann. Selbstverständlich spielen hier eine ganze Reihe von weiteren Größen eine Rolle, z.B. die Zahl der Sonnenflecken, die eine gravierende Auswirkung auf die solare Einstrahlung haben. Man kann sich hier bildlich vorstellen, dass die Erde permanent über einen Bunsenbrenner gehalten wird, wobei die Sonne der Brenner ist und die Sonnenflecken die „Fluktuationen/Aktivität“ in der „Hitzeverteilung“ darstellen. Diese Flecken treten dabei in sogenannten Zyklen auf (Sonnenfleckenzyklus), die eine Periode von etwa 11 Jahren aufweisen. Langfristig gesehen nimmt die Intensität von Zyklus zu Zyklus weiter ab (Eine konkrete Erklärung liegt hier nicht vor), so dass wir uns einem neuen Aktivitätsminimum nähern. Aus diesem Grund spricht man an dieser Stelle auch von einer möglichen neuen „kleinen Eiszeit“, was anhand von Aufzeichnungen aus der jüngeren Klimageschichte verifiziert werden kann. Offen bleibt, inwieweit das durch eine Überlagerung anderer Faktoren (z.B. CO², künstlicher Treibhauseffekt) überhaupt zu tragen kommt?
Worauf ich hinaus wollte: Kommen wir noch einmal auf den im ersten Abschnitt erwähnten „Klimawandel“. An dieser Stelle sollte deutlich werden, dass wir aufgrund der verschiedenen Eingangsgrößen (Sonnenflecken, Meeresströmungen, uvm.) und dessen Periodizität einen sogenannten natürlichen Klimawandel unterliegen, den es schon immer gab und den es auch immer geben wird (Langfristige Änderungen). Bedeutet: Auch ohne den Einfluss des Menschen haben sich schon immer Klimazonen im großen Stil verschoben (Aus rein wirtschaftlicher Betrachtung stellt dies natürlich ein Problem dar). Der Einfluss des Menschen, darunter das bereits häufig diskutierte Thema CO²-Emissionen, spielt nun ebenfalls eine Rolle in unserem System (Wir erinnern uns an das Pendel). Durch diesen Einfluss haben wir das „System Erde“ auf eine gewisse Art „ausgelenkt“, was dieses langfristig gesehen auch wieder korrigieren wird – die Frage, ob uns das Ergebnis gefällt, bzw. wir die Dimension der Folge erfassen können, steht hierbei auf einem ganz anderen Blatt Papier. Trotz tiefgreifender Forschungen lässt sich der exakte Zusammenhang zwischen dem natürlichen Klimawandel und dem Einfluss des Menschen nicht im Detail bestimmen.
Ergo: All diese Effekte besitzen eine gewisse Signatur, also Periode, die sich aufgrund der physikalischen Gesetze in unterschiedlichen Zeitskalen wiederholt. Dabei spielen langfristige Effekte wie die Anzahl der Sonnenflecken, als auch sehr kleinräumige Systeme wie ein Hurricane mit kurzer Lebensdauer eine Rolle. Das Problem liegt in der Überlagerung dieser Faktoren, die eine Analyse von ebenfalls periodisch wiederkehrenden Phänomenen wie den El Nino erschwert, da der Maßstab, also das eigentliche Grundsystem ebenfalls ständig im Wandel ist. Das Thema der Extremwettererscheinungen lasse ich jetzt mal aufgrund seiner Komplexität außen vor.
Zurück zu unserem Fazit: Der El Nino-Effekt hat sehr wohl einen Einfluss auf das Wettergeschehen über Mitteleuropa im Winter 2015/2016. Wenn man nun statistische Werte heranzieht, dann lässt sich folgende Aussage treffen: Der Winter wird sich tendenziell etwas trockener und kälter zeigen und ist häufig durch polare Kaltluftvorstöße aus Norden geprägt. Auf der anderen Seite kann der Einfluss aber aufgrund anderer Faktoren (wie bereits diskutiert) in unserer „Europäischer Wetterküche“ potentiell im Nichts verschwinden. Wie es wirklich wird, das erfahrt ihr wie üblich kurzfristig bei den Wetterfreaks Norddeutschland.
- Thema ENSO: http://www.cpc.ncep.noaa.gov/products/precip/CWlink/MJO/enso.shtml
- Thema NAO-Index: http://www.cpc.ncep.noaa.gov/products/precip/CWlink/pna/nao_index.html
RZ Hannover